Robbi Weihnachtskalende     

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Ein Weihnachtsgeschenk für Mutter

Etwas Persönliches sollte es schon sein. Weder Töpfe noch Pfannen, keine Lampen oder Staubsauger.  Mutter reagierte empfindlich auf solcherlei Geschenke. Kein noch so nützlicher und wertvoller Haushaltsgegenstand fand Gnade vor ihr. Auch die so beliebte Seife in mehr oder minder geschmackvoller Verpackung, Parfum oder Eau de Toilette inklusive, empfand sie als ungebührliche Aufforderung zum Waschen.

Neuerdings war oft die Rede gewesen von einem Bügelbrett, was in unserem Haushalt fehlte und angeschafft werden sollte. Nun konnten meine Eltern aber nicht einfach in ein Geschäft gehen und ein Bügelbrett kaufen. Erstens gab es die gerade mal wieder nicht. Ein „temporärer Engpass“ wie so vieles andere in unserer jungen Republik. Zweitens musste jede Geldausgabe geplant und dem jeweiligen Portemonnaieinhalt gewachsen sein.

Die Bügelbrettbeschaffung war zur Weihnachtszeit noch im Gespräch. Vater wiegelte jedoch immer ab, sodass der Verdacht aufkam, er könnte es bereits gekauft haben. Hätte es nicht in den Jahren zuvor tränenreiche Szenen einer Ehe gegeben wegen derlei Geschenkfehlentscheidungen, wäre er auch bestimmt so unsensibel gewesen, das Fest mit diesem praktischen Utensil  zu entweihen. So aber nahm die Heimlichkeit ihren Lauf bis zum Heiligen Abend.

Der verlief wie jeder andere zuvor: Nachdem am Nachmittag der Baum aufgestellt und geschmückt worden war, wurde der Badeofen angeheizt. Erst badete Mutter, dann Vater, dann badete ich. Immerhin war das Badewasser zur Hälfte durch Frischwasser ausgetauscht worden.

Regnete es am Weihnachtsabend, bummerte der Weihnachtsmann immer gerade dann an die Tür, wenn ich in der Wanne saß. Wie sehr ich mich auch beeilte, der offenbar überaus sportliche Greis war wieder einmal verschwunden, wenn ich aus dem Bad kam. Klar. Er hatte es eilig. Millionen Kinder warteten auf ihn.

Bei gutem Wetter gingen Vater und ich, bereits festlich gekleidet, durch die dunklen Straßen spazieren und bestaunten die weihnachtlich geschmückten Fenster. Wenn nach und nach in den Wohnungen die Weihnachtsbäume im Kerzenlicht erstrahlten,  wurde es langsam auch für uns Zeit, nach Hause zurückzukehren. Doch der greise Herr hatte uns wieder einmal ausgetrickst, hatte Mutter die Geschenke übergeben und war verschwunden. Die hatte jetzt nur noch die  Pakete unter dem geschmückten Baum anzuordnen, die Kerzen anzuzünden und die Schallplatte „Sind die Lichter angezündet“ aufzulegen. Dann rief sie uns herein.

Im Wohnzimmer  herrschte eine so besondere, festliche und anheimelnde Stimmung. wie es nur an Weihnachten möglich ist. Die Augen meiner Mutter glänzten im  Kerzenschein vor Rührung, wenn sie mir beim Auspacken und Staunen zusah. Hinreißend schön stand sie inmitten einer  Duftkomposition von Apfelsinen, Lebkuchen und Tannengrün und lächelte, glücklich über meine kindliche Freude.

Ich erinnere mich an keines meiner Geschenke, aber die Inszenierung, die dann folgte, und die ich so ungeduldig erwartete, dass ich mich beim Auspacken besonders beeilte, ist mir noch immer gegenwärtig. Dass der Weihnachtsmann nur für uns Kinder zuständig war, wusste ich schon, und auch, dass die Erwachsenen sich gegenseitig beschenkten. So steckte ich mit Vater unter einer Decke, als er Mutter endlich ein etwa eineinhalb Meter langes, flaches Etwas präsentierte. Es war ein wenig ungeschickt, aber doch vollständig in Geschenkpapier eingewickelt. Das eine Ende zierte ein zigarrenkistenförmiger Aufbau.

Mutters Gesicht wurde, wie erwartet, immer länger. Etwas zögerlich zupfte sie an der weihnachtlichen Umhüllung und versuchte Haltung und Fröhlichkeit zu bewahren. „Ein Bügelbrett.“ Trotz höflichen Bemühens geriet diese Feststellung etwas zu trocken und unfröhlich. Aber lange dauerte der erste Schock nicht an, denn bald kam ein rohes, ungehobeltes Brett zum Vorschein, das bei Mutter zwar Erleichterung, aber noch mehr Verwirrung auslöste. Vater schmunzelte und ich durfte endlich loslachen, nachdem ich dieses drängende Bedürfnis schon viel zu lange nur mit Anstrengung hinter Unschuldsmiene zurückgehalten hatte. „Angeführt mit Weihnachtspapier“, wandelte ich das Ätsch- Lied ab und kicherte.

Mutter hatte sich inzwischen bis zur „Zigarrenkiste“ vorgearbeitet. Nochmals fein säuberlich verpackt und mit gelbem Schleifchen versehen, erweckte diese jetzt ihre Neugier, doch es traten nur weitere bunte Päckchen zutage, deren Ausmaß Stück um Stück schrumpfte. Die Aussicht, darin noch ein brauchbares und vor allem dem großen Fest angemessenes Geschenk zu finden, schwand, was sichtbar wurde in den sich mehr und mehr  befeuchtenden Augen meiner Mutter. Ihre Tränen schossen aber erst hervor, als sie endlich die golden glänzende Armbanduhr in den Händen hielt. Aber das waren Freudentränen.

Das neue Bügelbrett zog  Vater schließlich hinter dem Kleiderschrank hervor. Nun hatte auch dieses  den verdienten  Geschenkstatus und steigerte die Freude und Zufriedenheit an diesem schönen Weihnachtsabend.